Zwei in Österreich seit Jahrzehnten verschollene Tagfalter neu untersucht

INNSBRUCK. Österreich zählt mit über 200 Tagfalterarten zu den an Schmetterlingen reichsten Regionen Europas. Der Artenbestand wird seit etwa 250 Jahren erforscht und kartiert, die genetische Vielfalt ist aber bisher weitgehend unbekannt. Erstmals wurden in Österreich nun gleich mehrere ausgestorbene Tagfalterarten erfolgreich genetisch untersucht. Möglich wurde das durch eine Bearbeitung von altem Sammlungsmaterial aus der weltweit größten Schmetterlingssammlung des Alpenraums, die von den Tiroler Landesmuseen angelegt wurde. Während jüngere, wenige Jahre alte Proben kaum Probleme bereiten, sind ältere Präparate von Insekten für genetische Untersuchungen wenig geeignet, weil ihre DNA meistens bereits stark degradiert ist. Dank neuer methodischer Ansätze konnten nun erstmals über 70 Jahre alte Exemplare an der Universität Guelph (Kanada) erfolgreich sequenziert werden. Die Forschungsergebnisse fließen in ein gemeinsam von den Tiroler Landesmuseen und Blühendes Österreich – REWE International gemeinnützige Privatstiftung getragenes Projekt zur genetischen Erfassung der Tagfalter des Landes ein.

„Die Mitarbeiter der Naturwissenschaftlichen Sammlungen der Tiroler Landesmuseen leisten mit der Erforschung des Schmetterlingsbestandes einen wichtigen Beitrag zum Artenschutz in Österreich“, betont PD Dr. Wolfgang Meighörner, Direktor der Tiroler Landesmuseen.

Mag. Ronald Würflinger, Geschäftsführer von Blühendes Österreich, hält fest: „Die Erforschung der verschollenen Tagfalter ist für das Kooperationsprojekt ein großer Erfolg. So können wir regional unterschiedliche genetische Muster aufzeigen. Die Forschungsergebnisse liefern uns wichtige Informationen zur Auswahl von schützenswerten Flächen.“

Untersuchung von historischem Sammlungsmaterial

Mag. Dr. Peter Huemer, Projektleiter und Kustos der Naturwissenschaftlichen Sammlungen der Tiroler Landesmuseen, und der Schmetterlingsforscher Benjamin Wiesmair, MA über die genetischen Daten der seit Jahrzehnten verschollenen Tagfalter: „Die Untersuchung trägt wesentlich zur vollständigen genetischen Erfassung des österreichischen Schmetterlingsbestandes bei.“

Verschollene Tagfalter

In Kanada wurden u. a. genetische Fingerprints des Südöstlichen Feuerfalters (Lycaena thersamon), der seit vielen Jahrzehnten in Österreich als ausgestorben gilt, untersucht. Letzte Nachweise stammen aus den 1950er Jahren. Proben von zwei am 1. September 1947 in Jauerling in Niederösterreich sowie in Eisenstadt gefangenen Tieren wurden sequenziert.

Das Weiße L (Nymphalis vaualbum) wurde im Jahre 1775 aus der Gegend von Wien beschrieben und zuletzt vor etwa 20 Jahren in Niederösterreich gesichtet. Die Art gilt inzwischen im Bundesgebiet als ausgestorben. Der EU-weite strenge Schutz kommt somit im Bundesgebiet zu spät. Das erfolgreich sequenzierte Exemplar wurde am 1. Juni 1923 in Mauer bei Wien, heute Teil des 23. Bezirkes Wien Liesing, von Dr. Egon Galvagni gesammelt.

Beide Schmetterlingsarten fliegen heute nur noch im östlichen Europa. Ihr Verschwinden in Mitteleuropa ist ungeklärt und wird in Zusammenhang mit intensiver Landnutzung, aber auch mit natürlichen Schwankungen im Verbreitungsgebiet gesehen.

Beitrag zu globaler DNA-Bibliothek

Die genetische Vielfalt österreichischer Schmetterlinge ist seit mehreren Jahren ein bedeutender Forschungsschwerpunkt in den Naturwissenschaftlichen Sammlungen der Tiroler Landesmuseen. Inzwischen liegen etwa 11.000 genetische Proben von 2.800 Falterarten Österreichs vor. Ziel ist ein regionaler Beitrag zur globalen genetischen Bibliothek BOLD (Barcode of Life Data Systems, www.boldsystems.org). Diese umfasst aktuell mehr als fünf Millionen Barcodes und wird in Kanada an der Universität Guelph betreut. Hunderte Institutionen tragen zu einem raschen Ausbau der Bibliothek bei.

Zuverlässige Methode

DNA-Barcoding ist eine einfache Methode, bei der für alle Tiergruppen ein identer, kurzer mitochrondrialer DNA-Abschnitt sequenziert wird. Die Reihenfolge der Basen ist meistens arttypisch, ähnlich einem Strichcode im Supermarkt, daher auch die Bezeichnung „DNA-Barcode“. Mit Hilfe dieser Methode können daher Arten einfach und zuverlässig sowie kostengünstig bestimmt werden. Selbst Eier oder winzige Larven lassen sich erstmals sicher zuordnen. DNA-Barcoding ermöglicht die Erfassung von geschützten Arten ebenso wie die Bestimmung von neu eingeschleppten oder schädlichen Arten. Es wird in der Lebensmittelkontrolle, bei Zollbehörden, in Land- und Forstwirtschaft sowie im Naturschutz angewendet.

 Die Stiftung Blühendes Österreich

Blühendes Österreich – REWE International gemeinnützige Privatstiftung wurde 2015 von REWE gründet und ist ein Gemeinschaftsprojekt mit der Vogelschutzorganisation BirdLife Österreich. Die Initiative verfolgt das Ziel, gemeinsam mit Partnern aus der Landwirtschaft, Wissenschaft und mit Natur- und Umweltschutzorganisationen Österreich grüner, lebenswerter und artenreicher zu machen. Ein Fokus liegt dabei auf der Verbesserung der Lebensbedingungen für Schmetterlinge. Sie sind unter anderem als Blütenbestäuber von großer Bedeutung für das Ökosystem und gelten als Indikatoren für den Zustand der Umwelt. Für Blühendes Österreich verfasste Peter Huemer zwei aufsehenerregende Reporte: „Ausgeflattert I“ (2016) und „Ausgeflattert II“ (2017), welche die dramatische Lage der einheimischen Schmetterlinge aufzeigen, aber auch die Forschungsdefizite betonen.

Im Bild: Suedoestlicher Feuerfalter/c-Michel Kettner

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