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Kernobst auf dem Prüfstand.5 min read

2 Aprile 2017 3 min read

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Kernobst auf dem Prüfstand.5 min read

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Schlanders – Agrarforscher Lucius Tamm (Forschungsinstitut für biologischen Landbau/CH) präsentierte am 30. März im Kulturhaus Karl Schönherr zahlreiche Fakten und Forschungsergebnisse rund um das Thema Kernobst.

Ein voll besetztes Kulturhaus in Schlanders, zahlreiche Obstbauern im Publikum und ein wissenschaftlicher Vortrag von Agrarforscher Lucius Tamm waren die Komponenten und Ergebnisse, die sich die Veranstalterin Umweltschutzgruppe Vinschgau vorstellte: „Wir haben von Beginn an wissenschaftliche Erkenntnisse auf das Podium gebracht, wenn es um die Thematik Obstbau und das Ausbringen von Pestizide geht“, so die Präsidentin der Umweltschutzgruppe Vinschgau, Eva Prantl, „der heutige Vortrag, der unter anderem den integrierten, biologischen und Low-Input-Apfelanbau miteinander vergleicht, ist ein weiterer Beitrag zur Versachlichung der Debatte“. Das FiBL gehört weltweit zu den wichtigsten Forschungsinstituten des biologischen Landbaus, mit Standorten in der Schweiz, Österreich und Deutschland und ist neben der Forschung beratend tätig. Die Beratung wendet sich an alle interessierten Landwirte und Bauern.

Seit über zwanzig Jahren prüfen verschiedene Versuchsreihen des FiBL diverse Methoden des Apfelanbaus; darunter gehören die Integrierte Produktion (IP), der biologische Anbau, aber auch Low-Input-Methoden, die verschiedene Management- und Control-Methoden miteinander kombinieren.

KERNOBST UND WEINBAU: PESTIZID-INTENSIV

Lucius Tamm, der sich einen Teil der Vinschgauer Talschaft vor seinem Vortrag ansah, begann angesichts des großflächigen Anbaugebietes im Vinschgau mit den Worten: „Sie haben eine Riesen-Verantwortung“. Im globalen Kontext stünden massive Bodenprobleme, Klimawandel, Bienensterben, der enorme Verlust der Biodiversität sowie die Problematiken rund um die Wasserqualität gleich mit im Raum, wenn man sich um den Anbau von Kernobst austauschen würde. Kernobst: eine extrem intensive Kultur im Vergleich mit anderen Kulturen, die gemeinsam mit dem Weinbau enorme Menge an Pflanzenschutzmitteln verbraucht. „In der Schweiz sind über 100 verschiedene Pestizide in Fließgewässern nachgewiesen worden, oft wurden Cocktails aus verschiedenen Mitteln nachgewiesen. Auch im Grundwasser wurden in landwirtschaftlich intensiv genutzten Gegenden, auch in den Regionen mit viel Obst und Weinbau, im Wallis und am Bodensee, Mehrfachbelastungen mit Pestiziden gefunden (Studie EAWAG/CH)..

FRÜHER FORTSCHRITTLICH, HEUTE ÜBERHOLUNGSBEDÜFTIG: INTEGRIERTE PRODUKTION

Trotz der Tatsache, dass IP oft als naturnah dargestellt wird, belegen Fakten rund um die integrierte Produktion, dass sie nachweislich zu den intensivsten Produktionsweisen des Landbaus gehören und enorme Mengen an Pestiziden einsetzt. Deutsche Studien haben im Vergleich von Rückstandsanalysen von IP- und biologisch produzierten Lebensmitteln große Unterschiede feststellen können: Während über 90 Prozent der biologischen Produkte rückstandsfrei sind, konnten IP-Lebensmittel nur knapp 23 Prozent an rückstandfreien Produkten aufweisen. Wirtschaftlichkeit kam auch ins Spiel, als Tamm die Thematik der rund um die im Bioanbau genutzten Produkte ansprach. Für viele Hersteller sei es nicht wirtschaftlich, alleine für den Biomarkt zu produzieren, weswegen im Biolandbau zugelassene Mittel auch dem konventionellen Landwirten angeboten werden. Das Resultat: 80 bis 90 Prozent aller verkauften Kupfer- und Schwefelhaltigen Mittel werden nicht im biologischen, sondern im konventionellen Landbau eingesetzt.

PESTIZFREIER ANBAU UND GEZIELTE ÖKOLOGISIERUNG VON ANBAUFLÄCHEN: ERFOLGREICHE AUFWERTUNG

Im Vergleich der Testreihen von verschiedenen Europäischen Experimenten stehen fünf verschiedene Methoden: IP, Intensiv Biologisch, Low-residue-IP (reduzierter Einsatz von Pestiziden, um rückstandsfreie Produkte zu erzeugen), Bio-Eco-Obstbau und der Agro-Forest (Kombination von verschiedenen Kulturen im Obstbau, wie z.B. Getreide und Obstbau). Während die höchsten Erträge von der Integrierten Produktion generiert wurden, konnte der IP gleichzeitig die geringste Ökosystem-Leistung bescheinigt werden. Die herausragendsten Leistungen an ökologischen Verbesserungen hätten jedoch pestizidfreie Produktionsflächen mit zusätzlichem Augenmerk auf Krautsäume, Wildblumenstreifen, Hecken, einem um rund 50 Prozent vergrößerten Baumabstand für bessere Durchlüftung sowie dem Zusatz von lebenden Mikroorganismen gehabt: Tamm berichtete von einer sensationellen Verbesserung der Biodiversität; Flora und Fauna gleichermaßen betreffend. Das Verbesserungspotential wurde hier aufgezeigt, allerdings müssen diese Anbausysteme noch bis zur Praxisreife weiterentwickelt werden, da Pflanzenkrankheiten noch ungenügend kontrolliert werden.

MÖGLICHKEITEN IM ZUSAMMENSPIEL VON VERSCHIEDENEN BETEILIGTEN

Gestalterisches und ökologisches Neuausrichten von bisher konventionell betriebenen Obstplantagen kann eine deutliche Verbesserung der Ökologie bedeuten, die nicht viel kosten muss. In einer kleinparzellierten Gegend, die großflächige Anbaugebiete generiert, müsse, so Tamm, gemeinsam gestaltet werden, die dann erfolgte ökologische Leistung der Bauern müsse jedoch anerkannt werden. In diesem Zusammenhang könnten größere Konzepte für eine Aufwertung der Landschaft und der Landwirtschaft gleichermaßen sorgen: Ähnlich wie im Beispiel der „Knospe“-Vorzeige-Betriebe (Dem Biobauernverband „Knospe“ (BioSuisse) gehören ca. 6.000 Schweizer Bauern und Gartenbetriebe an; es steht für Ganzheitlichkeit, Biodiversität, Tierwohl, Ressourcenschutz, Geschmack, Vertrauen und Fairness) gäbe es Möglichkeiten, sich neu zu positionieren.

DRASTISCHE PESTIZID-REDUKTION UNBEDINGT NOTWENDIG

Das Endergebnis des Vortrages von Tamm war unmissverständlich: Für eine weitere Zukunft, vor allem hinsichtlich der Gesundheit von Böden, Bienen, Grundwasser, Mensch und Tier sowie der Biodiversität, müsse der Einsatz von Pestiziden drastisch reduziert werden. Gute Erträge mit dem völligen Verzicht auf chem.-synthetische Pestizide unter Einbindung verschiedener Bio-Control-Methoden seien möglich, während sie gleichzeitig dem Nachbarn keinen Schaden zufügten, das Grundwasser nicht belasteten, die Biodiversität verbesserten und das Landschaftsbild pflegten. Eine grossflächige Umstellung müsste jedoch eng begleitet werden und müsste schrittweise erfolgen. Abschließend verwies Lucius Tamm auf den Vinschgau als touristische Hochburg, dessen Bauern von diesem Tourismus durch Direktvermarktung nur profitieren könnten. Ein weiteres gemeinsames Ergebnis der Veranstalterin Umweltschutzgruppe Vinschgau und des Vortragenden war die Erkenntnis, dass sich die biologische Produktion weiterentwickeln müsse, die Integrierte Produktion jedoch eine grundlegende Neuorientierung zu bewältigen habe, wenn sie eine für alle tragfähige Zukunft haben wolle. Steigendes Konsumentenbewusstsein, fallende Preise für konventionelle Ware sowie der Schutz der Umwelt, der Biodiversität, der Gesundheit und der Kulturlandschaft sind einige der Gründe für einen notwendigen Wandel.  

Im Bild: Tamm und Lobis, Foto/c- Rudi Maurer/Umweltschutzgruppe Vinschgau