„Ich, eine Jüdin? Ich hab‘ es verneint“

Von Claudia von Dzerzawa    

Das Leben von jungen Juden heute in Deutschland: Wie das aller anderen? In vielen Punkten ja, in einigen aber gar nicht ,so heute.de,. Zwei junge Frauen haben über ihren Alltag als Jüdin gesprochen – und weshalb AfD-Politiker Björn Höcke ihnen Sorgen bereitet.

„In der Schule weiß niemand, dass ich Jüdin bin – auch meine Freunde nicht. Einmal bin ich sogar gefragt worden, ob ich Jüdin sei. Ich hab‘ es verneint.“ Hanna ist 16, ein Mädchen aus Hessen, das sich in der Jugendarbeit seiner jüdischen Gemeinde engagiert. Klug, selbstbewusst. Es ist Januar 2017, aber Hannas Sätze scheinen einen aus dunkelster Vergangenheit zu packen. Hanna spürt, dass sie mit ihren Worten irritiert. Einen Moment wirkte sie unsicher.

In ihrem Gesicht ist abzulesen, wie das Thema sie bewegt. „Ich finde, Religion ist etwas sehr Persönliches, das geht niemanden etwas an außer mir selbst“, so sagte sie weiter. Und dann: „Ich will mich nicht rechtfertigen müssen für meine Religionszugehörigkeit oder für Dinge, die in Israel und Palästina geschehen.“

„Natürlich auch muslimische Freunde, warum nicht?“

Vorsicht haben sich deshalb viele verschrieben. Auch Polina, eine Mainzer Studentin. „Ich schreie es nicht durch die Straße, dass ich Jüdin bin“, so sagte die 21-Jährige. Anders als Hanna verschweigt sie es aber auch nicht. „Meine Bekannten und Freunde an der Uni wissen das, und es ist kein großes Thema.“ Polina meint, sie liebe es, jüdisch zu sein. „Aber manchmal spüre ich auch die Last der Welt auf meinen Schultern.“ Etwa, wenn es um den israelisch-palästinensischen Konflikt geht.

Polina hat einen russischen Pass, lebt seit ihrem dritten Lebensjahr in Deutschland und fühlt sich, wie sie sagt, als Weltbürgerin. „Ich habe Freunde aus vielen Ländern, natürlich auch muslimische. Ich meine, es kommt doch auf das persönliche Miteinander an.“

„Ah, es gibt noch Juden in Deutschland?“

Sie lacht bei der Frage, wie es sich anfühle, ihr Leben als Jüdin in Deutschland im Jahr 2017. Schließlich sagte sie: „Ich empfinde Deutschland als offenes Land, ich lebe gerne hier. Auf der anderen Seite ist mir schon bewusst, dass es bei vielen Menschen weiterhin einen verdeckten Antisemitismus gibt. Die wenigsten würden mir auf der Straße hinterher rufen ‚Scheiß Jude‘, aber wenn ich die krassen Kommentare im Internet lese, selbst bei harmlosen Israel-Texten, dann wird mir schon anders zumute. Im Netz entlädt sich viel Aggression.“

In vielerlei Hinsicht unterscheide sich ihr Leben kein bisschen von dem ihrer Kommilitonen an der Uni, aber manchmal muss es sich dann doch äußerst seltsam anfühlen. Ein Beispiel: Wenn die Leute erfahren, dass sie Jüdin ist, seien die Reaktionen sehr verschieden: Einige fragten tatsächlich überrascht: „Ah, es gibt noch Juden in Deutschland?“ Andere reagierten mit: „Toll, endlich lerne ich mal eine Jüdin kennen!“

Ich habe nichts gegen dich persönlich, aber…“

Nur selten komme es zu einer Reaktion, die ihr nahegehe, nach dem Motto: „Ich habe nichts gegen dich persönlich, aber das Judentum beherrscht mit seinem Geld doch die ganze Welt!“ Polina erinnert sich an einen früheren Mitbewohner einer Wohngemeinschaft: „Er hat mir nach Monaten, in denen wir gut miteinander auskamen, verbal echt grobe Dinge an den Kopf geworfen, nachdem ich ihm sagte, dass ich Jüdin bin. Ich sei Teil einer Weltverschwörung. Solche Sachen. Das hat mich traurig gemacht. Aber das war zum Glück ein Einzelfall.“

Viel verstörender empfindet sie die öffentlichen Aussagen einiger AfD-Politiker, wie jene des Thüringer Fraktionschefs Björn Höcke vor zehn Tagen, als er in Bezug auf das Holocaust-Mahnmal in Berlin sagte: „Wir Deutschen sind das einzige Volk der Welt, das sich ein Denkmal der Schande in das Herz seiner Hauptstadt gepflanzt hat.“

Wie AfD-Mann Höcke verstört

Gleichzeitig hatte Höcke – als hessischer Geschichtslehrer zurzeit beurlaubt – indirekt den Umgang mit der Nazi-Geschichte im Schulunterricht kritisiert. Statt jungen Menschen deutsche Geistesgrößen näherzubringen, werde „die deutsche Geschichte mies und lächerlich gemacht“.

Höcke forderte „eine erinnerungspolitische Wende um 180 Grad“ und meinte: „Dieses Land braucht einen vollständigen Sieg der AfD.“ Wer Höckes Rede im Ganzen verfolgt und die hitzigen Reaktionen des Publikums sieht, fühlt sich in die gefährlichsten Untiefen der deutschen Geschichte hineingezogen.

„Ermordung von sechs Millionen Juden heruntergespielt“

Polinas Eindruck: „Ich denke, Höcke manipuliert ganz bewusst die Leute. Das macht mich traurig.“ Auch die 16-jährige Hanna hat sich Teile der Rede angesehen. „Mein erster Gedanke war, dass Höcke über die Schande der Nationalsozialisten gesprochen hat. Ich konnte gar nicht glauben, dass er als Geschichtslehrer diesen Teil der deutschen Geschichte – die Verfolgung und Ermordung von sechs Millionen Juden – so bagatellisiert und herunterspielt.“

Hanna schüttelt den Kopf. Ein Grund dafür, dass sie gern in Deutschland lebe und sich hier wohlfühle, sei schließlich, „dass sich Deutschland seiner Geschichte stellt und auch die dunklen Kapitel aufgearbeitet hat“ .Quelle: heute.de    

Quelle: https://claudia2902.wordpress.com/2017/01/27/ich-eine-juedin-ich-hab-es-verneint/    

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