Putins Sanktionen-Strategie „mehr Schaden als Nutzen“ für Russlands Bürger

Russlands Präsident reagiert auf die Sanktionen von USA und EU derzeit mit zwei Strategien, so Spiegel.de. Die erste seiner Strategie lautet drohen. Sie richtet sich gegen die Widersacher im Ausland.

Am Mittwochabend hat der Kreml Einfuhrverbote und -begrenzungen für zahlreiche Waren aus Europa verhängt. Betroffen sind Agrarprodukte, Rohstoffe und Lebensmittel aus jenen Länder, die im Ukraine-Konflikt Sanktionen gegen Moskau erlassen haben, so teilte Putin per Dekret mit.

Die Verbote, die für ein Jahr gelten sollen, sind nicht die ersten Vergeltungsmaßnahmen, die der Kreml gegen die westlichen Sanktionen ankündigt. So sollen sich Krankenhäuser bald auf ein Importverbot von Medizintechnik einstellen, und Behörden und Kommunen müssen seit Kurzem auf ausländische Dienstwagen, Busse und Straßenbahnen verzichten.
Die zweite Anti-Sanktions-Strategie betrifft den Umgang mit den eigenen Bürgern. Sie lautet alles schön reden. So haben Politiker und Kreml-nahe Experten die Sanktionen des Westens zuletzt oft als “Russlands Rettung” dargestellt. “Das ist eine fantastische Chance, sich endlich der eigenen Wirtschaft zu widmen”, sagte Vizepremier kürzlich. “Eine Chance auf eine vollständige Reindustrialisierung des Landes.” Ausländische Konkurrenz ist seiner Argumentation nach schlecht für die eigene Industrie. Russland sollte besser alles selber herstellen, wie einst zu Sowjetzeiten.
Putin gibt sich selbstsicher angesichts westlicher Sanktionen. Doch tatsächlich ist die Lage bedenklich. Die wirtschaftlichen Folgen sind weit schlimmer, als Moskau zugibt. Und sie könnten sich durch die angedrohten Gegenmaßnahmen noch einmal verschärfen.
“Die Reaktion des Kremls hat nichts mit ökonomischer Vernunft zu tun”, sagt der Moskauer Finanzexperte Slava Rabinovich. Russland ist bereit, “einen Handelskrieg anzuzetteln”, so sorgt sich Natalia Orlowa, Chefökonomin der privaten Alfa-Bank.
Russlands Wirtschaftswachstum ist im laufenden Jahr kaum messbar, Schätzungen zufolge wird es sich auf 0,5 Prozent belaufen. Schon die kurzfristigen Effekte der Sanktionen könnten es um 0,2 Prozentpunkte schmälern, schreiben Analysten der Bank Uralsib. Die staatliche Vneshekonom-Bank fürchtet eine Rezession im kommenden Jahr.
Durch die gestörten Handelsströme drohen unter anderem die Verbraucherpreise zu steigen.
“Die Inflationsrate könnte im laufenden Jahr um 2,5 Prozentpunkte auf 7,5 Prozent zulegen”, schätzen Experten der Investmentgesellschaft VTB Capital. Mögliche russische Gegenmaßnahmen sind in diese Rechnung schon eingepreist.
Russlands Industrie indes wird durch die Sanktionen nur kurzfristig angekurbelt. Anfang des Sommers haben Experten tatsächlich eine Belebung in der russischen Industrie festgestellt. Der Grund waren die fehlenden Importe aus der Ukraine. Doch das Produktionsplus wird sich nicht durchhalten lassen. Denn für weitere Investitionen fehlt den Unternehmen das Geld.

Und das ist erst der Anfang. Sollte sich der Finanzkrieg zwischen Putin und dem Westen verschlimmern, könnte die Wirtschaftsleistung gar um zwei bis drei Prozent sinken, erklärte Jewgenij Jasin, der wissenschaftliche Leiter der Moskauer Hochschule für Ökonomie, kürzlich. Die Behauptung, Russland würde von den Sanktionen profitieren, kann man daher “als Ökonom eigentlich nicht ernsthaft kommentieren”, so sagte Rabinovich.

 

Claudia von Dzerzawa

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