Die Geschichte Südtirols „Eine Minderheit kämpfte um ihre Rechte“

Drei Sprachen, Gewohnheiten, die verzahnt werden, Geschichten, die sich zu ähneln beginnen. Deutsche,
Italiener und Ladiner leben in Südtirol beisammen. Viele einzelne Geschichten vervollständigen das Puzzle und geben Südtirol ein Gesicht, das je nach Perspektive, seine Nuancen etwas verändert.

Nach dem 1. Weltkrieg wird der Süden Tirols, heute Südtirol, der Siegermacht Italien zugesprochen. Es beginnt ein Ringen um Selbstbestimmung und Minderheitenrechte.

Mit dem Ende des 1. Weltkrieges, wird im November 1918 zwischen Österreich-Ungarn und Italien ein Waffenstillstand unterzeichnet. Daraufhin besetzt das italienische Heer den Süden Tirols um vorübergehend die Verwaltung des Landes zu übernehmen. In Saint Germain wird indessen Italien die Annektierung des Gebietes südlich des Brenners offiziell zugesagt. England, Frankreich und Russland hatten im Londoner Geheimvertrag 1915 mit dieser Zusicherung Italien zum Kriegseintritt auf ihrer Seite bewegen können.

1922, mit der Machtergreifung der Faschisten in Italien unter Benito Mussolini beginnt eine systematische Italienisierung Südtirols. Unter dem Einfluss des extremen Nationalisten Ettore Tolomei wird die deutsche Unterrichtssprache verboten und die Ortsnamen durch großteils frei erfundene italienische Bezeichnungen ersetzt. Der Name Tirol wird verboten. Ab 1925 gibt es geheime Untergrundschulen, die sog. „Katakombenschulen“ in denen Kinder teils von Laien in deutscher Sprache unterrichtet werden. Deutschsprachige Beamte werden entlassen und durch italienische Einwanderer ersetzt, die nach Südtirol versetzt werden.

Die Industriezone von Bozen wird massiv ausgebaut, Tausende von Arbeitern werden aus Norditalien rekrutiert und in Bozen angesiedelt. Die Hauptstadt erfährt ein nie dagewesenes Bauprogramm. Junge italienische Architekten erhalten den Auftrag ein neues, italienisches Bozen zu erschaffen.

Ein ganzes Stadtviertel mit modernen Prachtstraßen und monumentalen Gebäuden entsteht. Gekrönt wird das Bauprogramm durch das Siegesdenkmal, welches an die Eroberung des Gebietes erinnern soll.

1939 treffen Hitler und Mussolini eine folgenschwere Abmachung. Die Südtiroler werden vor eine grausame Wahl, „Option“ genannt, gestellt. Sie können in das „Deutsche Reich“ auswandern oder in ihrer Heimat bleiben und den langfristigen Verlust ihrer kulturellen Identität hinnehmen. Zunächst entscheidet sich ein großer Teil für die Auswanderung. Der Ausbruch des 2. Weltkrieges verhindert aber einen Massenexodus. Nur etwa 75.000 verlassen Südtirol tatsächlich. Die Option geht als großes Trauma in die Geschichte der Südtiroler ein. Die Gesellschaft wird gespalten, Familien werden getrennt, die „Dableiber“ als Verräter gebrandmarkt.

Der Einmarsch der Deutschen weckte bei vielen Südtirolern die Hoffnung auf eine Besserung der Situation. Junge Südtiroler werden von der Wehrmacht eingezogen und dienen im 2. Weltkrieg auf der Seite der Deutschen, über 8.000 fallen. 1945 wird Südtirol von den Alliierten besetzt.

Im selben Jahr wird die Südtiroler Volkspartei (SVP) gegründet. Sie setzt sich ein für das Selbstbestimmungsrecht des Landes und ringt in den Folgejahren der römischen Regierung wichtige Zugeständnisse ab. Bis heute stellt die SVP die Mehrheit im Südtiroler Landtag.

Vom italienischen Nationalisten-Traum von der Brennergrenze ist es ein langer diplomatischer Weg bis zur autonomen Provinz Bozen-Südtirol. Die Atmosphäre ist zeitweise sprengstoffgeladen.

Bei den Friedensverhandlungen nach Ende des 2. Weltkrieges wird ein Antrag zur Rückkehr Südtirols zu Österreich abgelehnt. Im Pariser Abkommen von 1946 wird zwischen Österreich und Italien ein Autonomieentwurf für Südtirol ausgehandelt. 1948 wird in Rom ein erstes Autonomiestatut für die gesamte Region inklusive das benachbarte Trentino beschlossen. So bleiben die Südtiroler Abgeordneten im Regionalparlament in der Minderheit und sind faktisch machtlos.

Ebenfalls 1948 wird die Frage der Optanten, der ausgewanderten Südtiroler, gelöst. Sie können zurückkehren und erhalten die italienische Staatsbürgerschaft.

1957 findet eine große Kundgebung der Südtiroler Bevölkerung auf Schloss Sigmundskron bei Bozen statt. Die 1945 gegründete Südtiroler Volkspartei mit Silvius Magnago an der Spitze verlangt das „Los von Trient“, also eine südtiroleigene Autonomie, losgelöst von der Nachbarprovinz Trentino.

1969 wird das erste „Autonomiepaket“ von Österreich und Italien ratifiziert. Die Südtiroler Landesregierung erhält zahlreiche Zuständigkeiten wie etwa Transportwesen, öffentliche Bauten, Sozialwesen etc.

In den folgenden Jahrzehnten gewährt die italienische Regierung eine massive Ausweitung der Autonomie. Die deutsche und die ladinische Minderheit in Südtirol erhalten weitläufigen Schutz.

Der Unterricht in der jeweiligen Muttersprache wird garantiert. Die öffentliche Verwaltung ist zwei- bzw. dreisprachig.

1972 tritt das zweite Autonomiestatut in Kraft. Weitere Bereiche wie Gesundheitswesen, öffentliche Sicherheit, Handel, Handwerk, Straßenbau werden nach und nach der Verantwortung der Südtiroler Landesregierung unterstellt. Zuletzt folgte eine weitreichende Gesetzgebungsbefugnis für den Südtiroler Landtag.

Uneinig ist man sich nach wie vor in der Ortsnamensgebung, welche noch auf den faschistischen Benennungen basiert. Als Stein des Anstoßes erweist sich auch das Siegesdenkmal in Bozen, welches ebenfalls von den Faschisten erbaut wurde und für viele Südtiroler eine Verherrlichung Mussolinis und seiner Politik darstellt.

1998 wird die erste dreisprachige Universität Europas, die Freie Universität Bozen gegründet.

 

 

 

 

Claudia von Dzerzawa

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