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HEINRICH GASSER: GENERATIONENVERTRAG BEDEUTET VERANTWORTUNG

7 Aprile 2014

HEINRICH GASSER: GENERATIONENVERTRAG BEDEUTET VERANTWORTUNG

Der Kunstsammler Heinrich Gasser war einer der Demonstranten auf dem Silvius Magnago-Platz, so Tageszeitung Online. Er hat gegen die Rentenvorschüsse für die Politiker protestiert. Was hat ihn aber dazu bewogen?

Heinrich Gasser ist kein klassischer Protestierer und auch kein Wutbürger. Er ist nicht demonstrieren gegangen, weil er mehr Rente möchte, sondern weil ein Verbrechen gegenüber der nächsten Generation geschieht. Die alte Generation möchte noch alles schnell mitnehmen, bevor sie abtritt. Die nächste Generation wird dann mittellos dastehen und das ist nicht richtig. Solche Dinge passieren mit Notwendigkeit, wenn es zu lange keinen politischen Wechsel gibt. Die unten sind, bleiben unten, die oben sind, oben. Das darf nicht sein, wir brauchen eine positive Veränderung.

In der Volkspartei, die in Südtirol das Sagen hat, war vieles nicht mehr stimmig, angefangen mit dem SEL-Skandal. Es war auch eine Frechheit, was sich die Politiker geleistet haben, das steht außer Zweifel. Die Selbstbedienung der Politiker war einfach zu groß und dass man sich die Rente dann auch noch im voraus auszahlen lässt, das ist zu viel. Alle im Landtag haben mitgespielt und dabei sollten sie doch kontrollieren. Das ist verwerflich,. Keiner hat was gesagt, alle haben das Geld eingesteckt, als steht es ihnen zu. Aber es steht ihnen nicht zu, so Gasser.

Opposition und Volkspartei haben total versagt, sie haben ihre Aufsichtspflicht nicht wahrgenommen und damit die Demokratie gefährdet. Ihm geht es nicht um Neid, aber wenn es um die nächste Generation geht, dann reg t er sich auf. Er möchte darauf aufmerksam machen, dass es auch anders geht und er fühlt sich dazu verpflichtet, weil die Opposition ihre Aufgabe nicht wahrgenommen hat. Gasser ist von der Opposition noch mehr enttäuscht als von der Volkspartei. Alle haben vor den Wahlen Bescheid gewusst und das Geld stillschweigend eingesteckt.

Der Mensch möchte nach oben kommen, er klettert hinauf und wenn er bei den besten Früchten angelangt ist, möchte er auf ewig dort bleiben.Jeder Mensch möchte einen Platz an der Sonne haben. Aber wenn der Baum nicht ab und zu geschüttelt wird, bleiben die alten Seilschaften oben und neue können nicht hinaufklettern. Vielleicht sehen wir endlich ein, was passiert, wenn die Leute zu lange an der Macht sind, nämlich, dass dann die Seilschaften korrupt werden. Das war der Fall. LH Luis Durnwalder hat wunderbare Arbeit geleistet, aber er ist um 5 Jahre zu lange geblieben. Das ist das Problem, nicht abtreten zu wollen. Wenn es von allein nicht geht, müssen eben die Bürger den Affenbaum schütteln. Deshalb hat er protestiert.

Bei den Protestdemonstrationen sind Menschen vom letzten Winkel Südtirols nach Bozen gekommen. Die Leute wollen eine Erneuerung. Natürlich ist das eine Krise, aber eine Krise, die Positives bewirken kann. Die alten Seilschaften verschwinden, es wird eine Entflechtung der Macht geben und das schafft die Möglichkeit, dass junge Menschen wieder begeistert mitarbeiten. Es geht darum, dass der Generationenvertrag missachtet worden ist. Politiker sollen gut verdienen, aber dass die nächste Generation geschädigt wird, das kann nicht sein.

Generationenvertrag bedeutet Verantwortung für die nächste Generation. Er hat sieben Enkelkinder, die brauchen eine gute Ausbildung, die müssen Sprachen lernen, damit sie sich in Europa bewegen können. Die Jungen müssen eine neue Heimat aufbauen, aber das bedeutet heutzutage: sie müssen sich ein Netzwerk schaffen. Ihm ist Europa mindestens so wichtig wie Südtirol, weil wir in Zukunft alle Europäer sind. Wir müssen aufhören zu sagen, wir sind Italiener oder Südtiroler. Wir sind Europäer, so Gasser.
Die Politik ist gefragt, denn wir brauchen eine ganz starke Vertretung in Europa, dann erübrigt sich das ganze Geschrei um die Selbstbestimmung. Man sieht unsere Zukunft in einer Region, die über Trentino, Südtirol und Tirol hinausgeht. Die Nationalstaaten sind ein Auslaufmodell. Es wird nicht lange dauern, dann sind sie weg. Gasser geht es um Europa und um die Jugend. Wir müssen auch in Südtirol schauen, dass wir eine stärkere Bindung zu Europa aufbauen. Südtirol ist das Bindeglied zwischen mediterraner und nördlicher Kultur, der Riss zwischen Norden und Süden kann hier gekittet werden, weil wir sowohl die südliche als auch die nördliche Mentalität kennen.

In den südlichen Ländern sind 50 Prozent der Jugendlichen arbeitslos, sie haben keine Perspektive und die Alten lassen es sich gut gehen. Das geht nicht, darauf müssen wir aufpassen, auch bei uns. Die Prognosen gehen in Richtung Arbeitslosigkeit von einem Drittel aller Menschen. Wenn 40 Prozent der Jungen zwischen 15 und 25 Jahren keine Arbeit haben und keine Ausbildung absolvieren, sind sie dazu prädestiniert, ein Leben lang keine Arbeit zu finden. Irgendwann haben wir Zustände wie in Amerika, wo 50 Millionen Menschen Essenskarten bekommen.

Wenn wir nicht acht geben, wird auch Europa ärmer. Man muss schauen, dass wir aus der Lethargie heraus kommen. Europa ist nach dem 2. Weltkrieg vom Affenbaum geschüttelt worden und ist bis zum Fall der Berliner Mauer dort liegen geblieben. Es hat keine Verteidigung aufgebaut, wurde durch Geld ruhig gestellt. Die nächste Zeit wird sehr große Anforderungen an Europa stellen. Amerika hatte seine Wurzeln in Europa, nun haben wir mit Obama den ersten Präsidenten, der keine europäischen Wurzeln hat. Wir müssen unsere Beziehungen zum Osten festigen, damit nicht zum Schluss China das bessere Band zu Russland hat als Europa. Wir haben nur die Möglichkeit uns in diese Richtung zu vergrößern und dadurch wieder eine Rolle in der Weltwirtschaft zu spielen.

Wir, eine Gruppe von Bürgern, haben in unserem Buch „Denkstücke in die Zukunft. Europa 2013 – 2030“ (Hrsg: Heinrich Gasser, Bruno Klammer, Roger Pycha Provinz-Verlag 2013, 252 S) einen Blick in die Zukunft gewagt und zehn Klettergriffe formuliert, mit denen Europa wieder auf die Baumkrone kommen kann. Die Punkte sind: Wir brauchen eine neue Ethik, eine politische Erweiterung Europas, Glück ohne Wachstum, einen verantwortungsvollen Umgang mit Energie und Ressourcen, Kunst und Kreativität.

Die Globalisierung hat auch im Kunstbereich eine Vertrauenskrise ausgelöst. Es weiß niemand mehr, wo es lang geht. Das war bei den letzten beiden Biennalen in Venedig zu sehen, die Kuratoren haben Kunst gespielt, aber von Kunst war da nichts mehr da. Auf der letzten documenta hingegen sah man eine neue Spiritualität, neue Ideen, Ökonomen, Philosophen, Wissenschaftler haben neue Ideen gezeigt. Die Künstler waren immer Seismographen der Gesellschaft und der Zeit. Man spürt, dass die jungen Künstler sich wieder stärker engagieren. Gehen Sie nach Berlin, wo die jungen Kreativen total auf dem Vormarsch sind. Natürlich gibt es immer noch die Traditionalisten, die Angst haben, wenn ein Andersfarbiger bei der Tür herein schaut. Und es gibt die Modernisten, denen ein großes Auto und eine Rolex wichtig ist. Aber die Führung übernehmen werden die jungen Kreativen, die jetzt zwischen 25 und 35 Jahren alt sind.

Er war immer in die Konzeptkunst verliebt, in die Kunst, die im Kopf stattfindet. Kunst muss zum Denken anregen, Denkprozesse auf den Weg bringen. Ein Bild hat nicht mehr die Ausstrahlung wie früher. Leider ist die Kunst mit der Globalisierung in die Werbung eingegangen, in den Markt. Wir müssen wieder anfangen, mehr zu denken, uns zurückziehen, in die Klausur gehen.

Gasser hat unlängst einen Traum: Seine Enkelkinder haben einen Chip entwickelt und einen Weltkonzern aufgebaut, sie waren in London, in Moskau, in Paris und New York überall zerstreut und haben wöchentlich eine Videodiskussion geführt und diskutieren wie die Geschäfte laufen und jede zweite Woche wird musiziert. Alle spielen an einem anderen Ort, aber doch zusammen. Die nächste Generation kann das, wenn sie will.  Wir müssen ihnen nur den Weg freimachen.