Vier Vorträge, international bekannte Referent:innen, 40 interessierte Teilnehmende: Am vergangenen Wochenende (21. und 22. Mai) kamen mit Notker Wolf, Isabella Ehart und Anselm Bilgri renommierte Persönlichkeiten aus dem Ausland zum ersten „Forum Spiritualität“ ins Haus der Familie. Außerdem referierte der ehemalige Primar der Neonatologie des Bozner Krankenhauses Dr. Hubert Messner, Familienseelsorger Toni Fiung führte durch die beiden Tage. Die Referent:innen berichteten über ihren Zugang zum Leben und zum Sein, über ihre Motivation im Alltag und erklärten, was ihr Leben reicher macht. Es ging um Humor, Dankbarkeit und Loslassen, um Führen, Organisation und Vertrauen. Die 40 Teilnehmer:innen diskutierten mit den Referierenden über Kraft, Sinn und Aufgaben.
Anselm Bilgri war dreißig Jahre lang Benediktinermönch, unter anderem Wirtschaftsleiter und Prior von Kloster Andechs in Oberbayern. Er hat das Kloster zu einem auch ökonomisch erfolgreichen spirituellen Zentrum mit weltweitem Ruf geformt. Seit er den Orden verlassen hat, ist er als Unternehmensberater und Autor tätig. Im Kloster in Andechs, erzählte Anselm Bilgri, habe er mit monatlichen Bibeltreffen angefangen– bewusst exegetisch: Er stellte dabei die Frage, was uns die alten Schriften heute noch sagen wollen. Die Benediktinerregel „Bete und arbeite“ habe ihn stark geprägt, sagte der ehemalige Mönch: Es handle sich dabei um das älteste Führungs- und Organisationshandbuch Europas. Im Kloster sei es möglich, für Gott frei zu sein, wenn jemand den Brüdern wirtschaftlich den Rücken freihält. „Dann haben sie den Luxus, fünf Mal am Tag zu beten.“ Das Besondere sei dabei das UND. Heute, sagte Anselm Bilgri, sei es eher „Bete ODER arbeite“. In beidem, im Beten und im Arbeiten, werde Gott verherrlicht. Drei wichtige Werte des heiligen Benedikt waren Gehorsam, im Heute passender Loyalität; Demut, heute Menschlichkeit; Diskretion, heute besonders auch die Gabe zu unterscheiden und den Menschen gerecht zu werden.
Notker Wolf OSB ist emeritierter Abtprimas des Benediktinerordens. Er studierte Philosophie und Theologie in Rom und München, trat 1961 in die Benediktinerabtei St. Ottilien am Ammersee ein und wurde 1977 zu ihrem Erzabt gewählt. Von 2000 bis 2016 war der Abtprimas des Benediktinerordens mit Sitz in Rom der höchste Repräsentant von mehr als 800 Klöstern und Abteien auf der ganzen Welt. Wichtig im Leben sei es, lebendig zu bleiben und miteinander zu arbeiten, sagte Notker Wolf in seinem Vortrag. Er zitierte ebenfalls aus der Regel des heiligen Benedikt: „Gott gibt oft den Jüngeren ein, was das Richtige ist“. Das sei der Motor für die Benediktinerklöster, Neues zu wagen. Als Abtprimas habe er die Erfahrung gemacht: „Meine Macht ist die Machtlosigkeit.“ Dazu sei gesagt, dass alle Benediktinerklöster eigenständig sind und der Abtprimas ihnen nichts vorschreiben kann. Es ist seine Aufgabe, sie zusammenzuhalten „wie einen Sack Flöhe“. „Seien Sie unbesorgt“, rief er den Teilnehmenden zu. Er betonte, dass Angst lebensbestimmend geworden sei. Wer keine Angst hat, sei anscheinend nicht Mensch: „Wir wollen in den Medien das Negative lesen. Zum Entspannen schauen wir uns Krimis an.“ Ängste seien ernst zu nehmen, dennoch sollten wir stattdessen Verantwortung leben, riet Notker Wolf. Verantwortung sei die Kehrseite der Freiheit. „Wir brauchen Vertrauen ins Leben – Vertrauen mit Vernunft. Die Freude am Leben werde für jene erfahrbar, die loslassen können: „Dann kommt das Leben auf uns zu.“
Isabella Ehart war zehn Jahre lang spirituelle Begleiterin der Katholischen Frauenbewegung Österreichs. Sie hat seit mehr als 30 Jahren Erfahrung mit feministischen Liturgien und Besinnungstagen und ist Mitinitiatorin des Lehrgangs bibel feministisch. Jeder Mensch brauche Geborgenheit und Entwicklung, sagte die Theologin. Das sei schon im Mutterleib gegeben und die Basis für unser Urvertrauen, um sich selbst als Teil eines größeren Ganzen zu erleben. Isabella Ehart nannte den Dreiklang als Lebensmotto: „Lebe, liebe, lache.“ Der Atem halte alles in Bewegung und mache das Leben kostbar. Dem Leben einen Sinn geben zu dürfen, sei ein Geschenk, an dem man wachsen könne. Für Isabella Ehart bedeutet das auch, innezuhalten, zurück und vorwärts zu schauen. „In meinem Leben sind mir viele Dinge zugefallen“, sagte die spirituelle Begleiterin. Die Frage bleibt, ob jemand sein Leben selbst lebt oder ob es gelebt wird. Leben heiße auch staunen. Staunen sei am besten von Kindern lernbar. Auch Scheitern gehöre zum, wenn man danach wieder aufstehen könne, sagte Isabella Ehart.
Neben den drei Gästen aus dem Ausland referierte beim 1. Forum Spiritualität auch Dr. Hubert Messner. Der ehemalige Primar der Neonatologie am Krankenhaus Bozen betonte in seinem Referat, dass er als junger Arzt nicht gelernt habe, sich mit dem Tod auseinanderzusetzen: „Unsere Gesellschaft verdrängt das Sterben.“ Der Tod stelle das Leben in Frage. Angesichts des Todes gelte es zu lernen, dass es nicht um die Suche nach Fehlern oder einen Umgang mit dem Tod gehe, sondern um Loslassen. In einer großen Eiswüste beispielsweise, sagte Hubert Messner, werde jedem Menschen bewusst, dass es etwas Größeres gibt. Spiritualität ist für ihn eine Grenze zwischen Realität und Nicht-Wirklichkeit.
Familienseelsorger Toni Fiung moderierte das zweitätige Forum Spiritualität im Haus der Familie, das künftig jährlich stattfinden soll.
Im Bild: Hubert Messner