Von Sadbhavana Pfaffstaller
Ich habe den Beitrag zuerst auf „Der Freitag” und #just_asking veröffentlicht, möchte ihn aber auch hier veröffentlichen.
Als am Montag, den 18. Juli 2016, um 21:13 Notrufe bei der Polizei in Würzburg eingingen, dass ein Jugendlicher mit einer Axt und einem Messer, Menschen verletzte, wusste noch niemand, dass der Terror nun auch Deutschland erreicht hatte.
Die Polizei erschoss den Jugendlichen daraufhin und erntete dafür viel Lob- aber auch Kritik.
Eine der bekanntesten Kritikerinnen war mit Sicherheit die Grünen Politikerin Renate Künast, die mit ihrem Tweet die halbe Twittergemeinde, inklusive Polizei mit folgender kritischer Frage verärgerte: „Tragisch und wir hoffen für die Verletzten. Wieso konnte der Angreifer nicht angriffsunfähig geschossen werden???? Fragen! #Würzburg @SZ“ .
Sie bekam prompt als Antwort der „PolizeiOberbayernSüd“, dass vier Rufezeichen zum jetzigen Zeitpunkt nicht gerecht seien. Bei dieser Kritik blieb es nicht. Viele weitere Twitternutzer*innen verteidigten das Vorgehen der Polizei leidenschaftlich und griffen Künast blindlings auch unter der Gürtellinie an.
Dabei stellte Frau Künast eine Frage, die vielleicht etwas übertrieben gestellt war, allerdings fundamental für eine Demokratie und für die menschlichen Werte.
Es mag stimmen, dass dieser junge Mensch tatsächlich ein Attentäter des IS‘ ist und es mag auch stimmen, dass die Polizei in Notwehr gehandelt hat.
Fragen sollte man dennoch und dafür gibt es genügend Gründe.
Zum einem einfach um genau zu wissen, warum das passierte, ob es keine andere Möglichkeit gab und ob man hier vielleicht einen anderen Weg hätte einschlagen können. Natürlich würde diese, immer unbequeme, Frage die Polizei zwingen sich damit auseinanderzusetzen, dass man vielleicht doch auch noch ein bisschen verbesserungsfähig ist, aber es geht hier schlicht um ein Menschenleben auch wenn das viele bei Terroristen nicht mehr hören wollen. Fragen kostet nichts und hilft immer allen. „Wer nicht fragt bleibt dumm“, so sagte schon meine Großmutter und sie hatte recht. Wer sich solche Fragen stellt, spannt den Faden auch weiter auf andere Fragen zum Jungen und gibt ihm ein Gesicht, das mehr als nur der IS ist und das ist sicherlich hilfreich für die Vorbeugung weiterer Attentate, ausgeführt von Jugedlichen.
Doch auch, wenn es uns nicht interessiert, dass ein Mensch erschossen wurde, weil er vom IS ist, sollten wir dennoch hinterfragen. Vielleicht weil es uns empathischer macht, vielleicht aber auch weil es unser Demokratieverständnis verlangen würde. Länder wie Deutschland, Italien oder Frankreich, die ihre demokratischen Werte und Grundlagen so hochpreisen, sollten auch in Krisenzeiten ernsthaft dazu stehen. Ich beobachte immer wieder wie einfach es ist, einem Menschen durch Angst verstummen zu lassen, wie leicht es ist ihm das Fragen abzugewöhnen. Es braucht nicht viel, nur Autorität und Angst. Aber wer nicht fragt und nichts weiß, verspielt sich das Recht auf Mitsprache und Mitsprache und Meinung sind die Mütter unserer Demokratie. In einer Demokratie in der alle Menschen gleich sind und die sich an die Menschenrechte hält, ist es umso wichtiger zur Gänze aufzuklären warum ein Mensch sterben musste. Aufklärung geht nur durch Fragen.
Und schlussendlich war die Frage doch gerechtfertigt, weil es sich, kurzum, um ein Menschenleben handelt. Wer sich dafür nicht mehr interessiert, läuft irgendwann Gefahr selbst umgebracht zu werden- ohne das nach dem „Warum?“ gefragt wird. Die Polizei als Exekutivorgan des Staates besteht auch nur aus Menschen und was der Mensch macht, muss hinterfragt werden; vor allem wenn Leben genommen werden. Das hat nichts mit Diskriminierung der Polizei zu tun, sondern schlichtweg mit einem gesunden Gleichgewicht und Hausverstand. Wer die Handlung der Polizei nie in Frage stellt, hat das Prinzip der Rechtsstaatlichkeit und der Demokratie ganz einfach nicht verstanden. Man kann nicht freie demokratische Werte verlangen, aber dann nach einem kollektiven Schulterzucken schreien, wenn ein Attentäter erschossen wird und alle Entscheidungen einem Organ alleine überlassen, das ginge nie gut aus- egal um welcher Berufsgruppe es sich handelt.
Ein Attentäter ist ein Mensch und ein Mensch hat seine Würde. Ganz egal, wie viel Angst in uns herrscht, aber wenn wir anfangen Menschen nach Lebenswert zu sehen und es uns egal ist, wenn jemand erschossen wird, weil eh Terrorist, dann können wir auch gleich in einer Diktatur leben. Natürlich ist es nicht schön, das zu hören, aber das sind die Prinzipien der Menschenrechte. Oberstes Recht: „Alle Menschen sind frei und gleich an Würde und Rechten geboren. Sie sind mit Vernunft und Gewissen begabt und sollen einander im Geist der Brüderlichkeit begegnen.“ Wir sind alle gleich und wollen alle gleich behandelt werden. Wenn jemand ein Attentäter ist, dann macht das für uns, das Verständnis seines Menschenrechtes natürlich emotionals viel schwieriger, weil er selbst tötete oder verletzte und weil seine eigene Mentalität nicht konform mit den Menschenrechten ist, aber wer die Menschenrechte wirklich anerkennt, erkennt sie für alle an, ansonsten bringen sie nichts.
Ich persönlich, vermag mir nicht vorzustellen, was die Beamten und die Opfer durchleben mussten und ich kann die Notwehrhandlung der Polizei zum Teil verstehen.
Dennoch: Fragen ist nicht nur ein Recht, sondern Muss.
Im Bild: Sadbhavana Pfaffstaller