Das Burnout-Syndrom ist längst auch in Südtirol ein Thema, so die Tageszeitung. Was es genau ist, wie man ihm entgegenwirkt und warum gerade viele Frauen gefährdet sind, erklärte im Gespräch Roger Pycha.
Burnout ist ein Begriffe, den eigentlich heute jeder kennt, aber kaum jemand kann ihn wirklich erklären . Dabei tauchte er bereits vor vierzig Jahren zum ersten Mal auf: Damals beobachtete der amerikanische Psychotherapeut Herbert Freudenberger das Syndrom bei Sozialarbeitern, die sich um Drogensüchtige kümmerten. Definiert wurde es schließlich als ein Zustand körperlicher, emotionaler und geistiger Erschöpfung aufgrund beruflicher oder anderweitiger Überlastung, so Roger Pycha.
Studien haben zwar belegt, dass Frauen nicht öfter an Burnout erkranken als Männer. Doch neben Berufstätigen im sozialen Bereich, Mitarbeitern in großen anonymen Organisationen und Spitzenmanagern, hat man Frauen in Mehrfachbelastungssituationen als eine große Risikogruppe eingestuft.
Roger Pycha, Primar am Krankenhaus Bruneck, kennt die Ursachen nur zu gut. „Bei Frauen entsteht Burnout am häufigsten dadurch, dass sie grundsätzlich bereitwillig mehrere Rollen einnehmen und einen blinden Fleck für die daraus resultierenden Belastungen entwickeln. Viele Frauen sind Mütter, Partnerinnen, Hausfrauen und Berufstätige zugleich“, sagte Pycha. „Dabei haben Kinder und Erziehung in den allermeisten Fällen Vorrang, was Frauen deutlicher und intensiver empfinden als Männer. Letztere gewöhnen sich daran, dass jemand statt ihnen in die Bresche springt.
Im Beruf ist es ähnlich: Dort muss die Frau ebenfalls ein solches Gefälle bewältigen, weil sie, durch ihre größeren familiären Verpflichtungen und die damit verbundenen Ausfallzeiten als weniger wertvoll eingestuft wird.“ Mütter im Allgemeinen sieht Pycha aber nicht als sonderlich gefährdet, weil das Mutterdasein selbst sehr viele Glücksmomente in sich birgt. „Mütter können auch viele Kinder haben und trotzdem relativ immun gegen Burnout sein. Umgekehrt kann aber auch ein einziges, sehr schwieriges Kind genügen, um eine berufstätige Mutter an den Rand des Wahnsinns zu bringen. Man muss das also immer im Einzelfall betrachten, so der Primar.“
Inwieweit berufstätige Mütter in Südtirol unter dieser Form der Überlastung leiden, ist bisher unklar, da es keine geschlechtsspezifischen Studien dazu gibt. Allerdings wurden bereits einige auf den Beruf bezogene Studien durchgeführt, in denen Mitarbeiter im Sanitätsbetrieb, Kindergärtnerinnen und Altenpflegerinnen der Bezirke Bozen und Brixen erfasst wurden. Das Resultat: Burnout tritt in der jeweiligen Berufsgruppe mit einer Häufigkeit von zwei bis drei Prozent auf. „Das ist zum Glück nicht unbedingt viel“, so meinte Pycha.
„Man liest oft, dass 30-40 Prozent einer bestimmten Berufsgruppe betroffen sind, allerdings ist dabei meist nur eine der drei Burnout-Phasen gemeint. In der ersten Phase kämpfen Betroffene mit Unzufriedenheit sowie hohen Belastungen. Die darauffolgende Depersonalisation ist gekennzeichnet durch eine Entfremdung von den eigenen Bedürfnissen und eine bösartige, zynische Art der Betroffenen. In der dritten Phase nimmt die Leistung aufgrund der Erschöpfung immer mehr ab. Erst wenn ein Patient alle drei Phasen durchlebt hat, spricht man von schwerem Burnout.“
Begleitet wird die Dynamik des Burnouts von zahlreichen körperlichen Symptomen, wie Kopfdruck, Verstopfung, Schweißausbrüchen, Schlafstörungen, Appetitmangel, Abmagerung oder Angst-und Panikzustände. „Körper und Seele zittern unter dieser Belastung. Die Beschwerden verschwinden zwar nach einer kurzen Erholungszeit, kommen dann aber umso heftiger und schneller wieder. Daher werden sie auch relativ lange ausgehalten und man geht nicht so schnell zum Arzt. Man steckt es irgendwie weg, weil man daran gewöhnt ist, Leistung zu bringen und die Zähne zusammenzubeißen“, so Pycha.
Obwohl immer mehr Menschen an Burnout leiden, ist es nach wie vor nicht als wirkliche Krankheit anerkannt, sondern gilt lediglich als Problem der Lebensbewältigung. Roger Pycha erklärte dies anhand eines Vergleichs: „Burnout ist ein Risikofaktor für Krankheiten, genauso wie es Fettleibigkeit für hohen Blutdruck und Diabetes ist. Daher sprechen wir hauptsächlich von Folgestörungen des Syndroms, die von Depressionen und Angststörungen über Suchtverhalten bis hin zu psychosomatischen Störungen und Abwehrschwäche reichen. Erst wenn solche Beschwerden auftreten, kann man von einer Krankheit sprechen und die entsprechenden Therapien anwenden.“
In der Anfangsphase kann man Burnout noch sehr gut selbst bekämpfen, indem man seine Haltung dem Arbeitseinsatz und der Verantwortung gegenüber verändert. Wo immer Betroffene persönliche Bedürfnisse als vernachlässigt erkennen, sollten sie selbst Zeichen setzen, beispielsweise indem sie sich eine halbe Stunde am Tag „Urlaub“ von den eigenen Belastungen nehmen. „Menschen mit Burnout sind der Meinung, dass man über Belastungen nicht reden und schon gar nicht klagen kann. Interessanterweise wäre aber genau das der erste Schritt: Erst wenn ich anfange zu jammern, merke ich, was ich alles zu tragen habe“, so sagte Pycha.
Er betont außerdem, dass ein stabiles soziales und berufliches Netzwerk ausschlaggebend für das persönliche Wohlbefinden ist. Man sollte ruhig einmal ‚nein’ sagen, wenn einem alles zu viel wird. Denn besonders gefährdet sind Menschen, die sich selbst nicht wichtig genug nehmen, zu allem ‚ja’ sagen und ständig Anderen helfen. Eine kleine Portion Egoismus kann also durchaus vor Burnout und dessen Folgen schützen.