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Alles begann mit dem Tod

28 Settembre 2022

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Alles begann mit dem Tod

Proculus Team Prod Muspilli Naturns 1992

Der Verein Muspilli ist heute besonders als Veranstalter der Meraner Jazzakademie bekannt, daneben dafür, dass er verschiedene Kulturprojekte unterstützt bzw. ins Leben gerufen hat. Im letzten November startete er gemeinsam mit dem Verein Sweet Alps aus Lana das Musikfestival „Autumn in Merano“. 2022 hat er erstmals die Organisation auch des Festivals Meranojazz übernommen. Doch hat Muspilli seine Wurzeln im Tanztheater. Vor genau 30 Jahren am 29. September stellte er sich mit seiner ersten Tanztheater-Produktion „Proculus“ vor.

Als sich 1991 drei junge Künstler die Ausstellung „St. Prokulus – Ergrabene Geschichte“ auf Schloss Tirol angesehen haben, war dies Anregung genug, um zu den vorgestellten Objekten ein interdisziplinäres Projekt zu entwickeln. Da es bei der Ausstellung v.a. um den Pestfriedhof St. Prokulus in Naturns ging, standen im Mittelpunkt des entwickelten Tanztheaterstücks mit Live-Musik die Themen Tod und Leben. Karlheinz Gufler, Ewald Kontschieder und Dieter Teutsch hätten damals bestimmt nicht gemeint, dass aus dieser ersten Zusammenarbeit eine langlebige, recht eigentliche Kulturschmiede entstehen würde. Der Verein nannte sich nach dem bei der Aufführung benutzten althochdeutschen Text „Muspilli“.

In diesen Tagen jährt sich die erste Aufführung von Muspilli. Es war ein kühler frühherbstlicher 29. September, als am Rathausplatz von Naturns das Tanztheater mit einem Team von 20 Leuten „Proculus“ aufgeführt wurde. Mit dabei auch schon Oskar Stricker, der sich damals erst seit kurzem im Bereich Lichttechnik selbständig gemacht hat. Einer der prominenten Zuschauer war Peter Fellin, der junge Schriftsteller Toni Bernhart rezensierte die Aufführung. Das im Wesentlichen ehrenamtliche Projekt wurde von der Gemeinde Naturns und ihrem damaligen Kulturreferenten Josef Pircher gefördert und unterstützt. Wichtige Starthilfe für eine Gruppe junger Leute ohne Finanzmittel, die ihre Tätigkeit heute schon lange regional und auch über die Grenzen ausgeweitet hat.

Zwischen Tanztheater und Musik
Inzwischen realisierte Muspilli etwa 20 Tanz-Theater-Stücke, es entstanden Musik-, Multimedia- und Filmprojekte, über die international renommierten Kursveranstaltungen der Meraner Jazzakademie sind an die 1.500 Musiker und sogar Weltberühmtheiten nach Meran gekommen, um nur einige Aktivitäten zu nennen. Vor allem hat es der Verein auch geschafft, dem aus Meran gebürtigen Jazzpianisten Franco D’Andrea einen aktiven Platz in der Südtiroler Kulturszene einzuräumen. D‘Andrea wurde nicht zuletzt auch deswegen die Ehrenbürgerschaft Merans verliehen.

Performative interdisziplinäre Theaterformen
Die Gruppe Muspilli bestand in den Anfängen im Kern aus Harald Costa, Patrizia Ferrari, Ewald Kontschieder, Alessandra Marabese, Jessica und Marzia Mura, jungen Tanzbegeisterten v.a. aus Meran. Sie war in der ersten Dekade schwerpunktmäßig interdisziplinär und als Kollektiv im Bereich Tanz-Theater mit Live-Musik tätig. Dabei war sie mit Produktionen wie dem persisch-mystisch angehauchten „Attar“ (1999), „Une soiree avec Monsieur Erik Satie“ (2003) und „herzstück – schreckliche liebeslieder“ (2005-07) federführend, wenn es hierzulande darum ging, die verschiedenen Bühnenkünste in gattungsübergreifenden Eigenproduktionen zu vereinen. Die stets choreografisch angelegten kleineren und größeren Bühnenstücke, die häufig an ungewöhnlichen (Freiluft-)Orten zur Aufführung gebracht wurden – für Saalmieten fehlte das Geld -, leisteten damit Pionierarbeit und halfen mit, moderne performative Theaterformen in Südtirol bekannter zu machen. Zu den größeren Aufführungen strömten in den 90er Jahren schon mal 400 Zuschauer, etwa am Tiroler Segenbühel („Das Licht auf der anderen Seite der Erde“) oder im Thermenpark („Babel“).

Je nach Projekt arbeitete die Gruppe mit jungen Tänzern, Musikern, Künstlern und Schauspielern aus dem Burggrafenamt zusammen, doch gelegentlich ebenso aus dem Trentino. Seit Ende der 90er Jahre professionalisiert sich die Tätigkeit, Franco Marini wird erster Gastregisseur. Die Zusammenarbeiten dehnen sich auf international tätige Profi-Künstler aus und auf viele der Meraner und Südtiroler Kulturinstitutionen.

Kollektives Arbeiten und Netzwerkarbeit
Hauptaugenmerk lag nicht nur in der Realisierung eigener interdisziplinärer Projekte. Von Anfang an versuchten die Vereinsleute, junge Menschen zu aktivieren, um ihre Kreativität zu stimulieren. Ein Tätigkeitsfeld bestand ebenso darin, die Kulturszene zu vernetzen und Fortbildungsangebote zu schaffen, z.B. über Tanz-Workshops. So sind aus der Aktivität nicht nur der nicht mehr fortgeführte Musikwettbewerb SPEC entstanden, sondern im letzten Jahrzehnt auch die über die Landesgrenzen hinaus tätige Jugendbigband Südtirol oder das Herbstfestival „Autumn in Merano“, vielfach in Zusammenarbeit mit anderen Kulturakteuren oder -vereinen. Nicht zuletzt war Muspilli Motor dafür, dass der Südtiroler Tanzszene durch Gründung des Südtiroler Tanzkollektivs eine hörbare Stimme verliehen wurde und durch die Community Dance Academy zeitgenössische Bewegungskunst bei Jugendlichen gezielt gefördert wird. Beides bewährte sich und erweist sich nach bald 20 Jahren als regional und überregional wirksam.

Mit Marzia Mura und Ewald Kontschieder sind immer noch zwei Gründungsmitglieder im Vorstand des Vereins vertreten, während mit Rolf Klaus Friedrich und Matteo Scalchi zwei Musikschaffende das Vereinsprogramm seit Jahren mitgestalten.

Ehrenamtliche Kulturarbeit als Wirtschaftsfaktor
Der in einer kleinen Studie 2014 geschätzte monetäre Mehrwert im 2. Tätigkeitsjahrzent (bis 2013) lag bei rund 600.000 Euro für die Stadt Meran. Durch die mediale Präsenz auch auf nationaler und internationaler Ebene betreibt der Verein – wie viele andere Kulturvereine – unbezahlbare Imagearbeit für den Standort Meran und Südtirol.
Durch die beiden Pandemiejahre ist Muspilli mit Einschränkungen gut durchgekommen. Derzeit bietet die neue Meraner Stadtregierung allerdings Unsicherheiten im Bereich der Kulturförderung, was unzeitgemäß scheint. Meran hat sich in den letzten 150 Jahren v.a. über die Kultur entfaltet und sollte in diese investieren, sind die Vereinsmitglieder von Muspilli überzeugt. Kultur hat sich in den letzten 20 Jahren in Westeuropa als der nachhaltigste Wirtschaftszweig bewährt und ist auch international ein Tourismusmotor. Abgesehen davon, sind Kultur und Kreativität ein ursprüngliches Ausdrucksbedürfnis der Menschen und sozialer Kitt für die Gesellschaft.
Der Mehrwert der Kultur ist letztendlich ein unerschöpflicher, allein schon für das Ansehen eines Standortes.

Im Bild: Karuna (Muspilli/c-Peppi Gander) 2007