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Festakt zum 50. Jahrestag des 2. Autonomiestatuts

20 Gennaio 2022

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Festakt zum 50. Jahrestag des 2. Autonomiestatuts

Mattei, Kompatscher, Noggler und Vallazza betonen die Bedeutung der Autonomie für die Minderheit wie auch für alle Sprachgruppen und für den Wohlstand des Landes. Historikerin Pfanzelter spricht vom Statut als “Befähiger” des gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Aufschwungs, Historiker Di Michele sieht eine gemeinsame Geschichtsschreibung als Voraussetzung für einen “Autonomie-Patriotismus”. Siegerarbeiten des Videowettbewerbs für Schulen zur Autonomie vorgestellt. Mahnung von Mattei nach den Drohbriefen an Medien und Landeshauptmann.

Vor Beginn des Festakts sprach Landtagspräsidentin Rita Mattei, LH Arno Kompatscher und der Redaktion des “Alto Adige”, die einen Drohbrief erhalten hatten, ihre Solidarität aus. Es sei eine unannehmbare Aggression, begleitet von Wahnvorstellungen. Es sei schwerwiegend, wenn man auf dem Platz nach Freiheit rufe und gleichzeitig die Pressefreiheit bedrohe. Die übergroße Mehrheit der Bevölkerung lasse sich ohne Polemik impfen, zum eigenen Schutz und dem der anderen. Sie forderte alle Abgeordneten zum Nachdenken darüber auf, wie man sich in so einer schwierigen Zeit äußere.

Im Plenarsaal des Landtags wurde heute ein Festakt zur Erinnerung an das Inkrafttreten des Autonomiestatuts abgehalten, die vor 50 Jahren, am 20. Jänner 1972, in Kraft getreten ist. „Wäre das Zweite Autonomiestatut nicht vor 50 Jahren in Kraft getreten, wäre es nicht möglich gewesen, die Kultur, die Traditionen und die spezifischen lokalen Elemente zu bewahren und für unsere Bevölkerung zu verwalten“, erklärte Landtagspräsidentin Rita Mattei. „Das hat Südtirol zu einem blühenden Land gemacht, an dem sich viele Regionen der Welt, in denen Minderheiten leben, ein Beispiel nehmen. Seit dem 20. Januar 1972 kann der Landtag weit umfassendere Befugnisse wahrnehmen, als ihm ursprünglich zugestanden wurden, und mit eigenen Gesetzen auf die Bedürfnisse vor Ort reagieren, auch auf jene, die erst danach im Laufe der Jahre entstanden sind.“

Landeshauptmann Arno Kompatscher stellte dem Landtag die Initiativen der Landesregierung in diesem Gedenkjahr vor. Er betonte, dass das Autonomiestatut in erster Linie eine Autonomie der Legislative bedeute. Bei den genannten Initiativen wolle man betonen, dass es sich um eine Autonomie aller Bürger handle, darum seien neben Museen und Bildungseinrichtungen auch Freiwilligenorganisationen eingebunden worden. Am 11. Juni, 30. Jahrestag der Streitbeilegung werde es eine prominent besetzte Tagung geben, auch den Tag der Autonomie am 5. September wolle man dementsprechend begehen. Die Autonomie sei eine Erfolgsgeschichte geworden, es sei nicht zur Assimilation gekommen, wohl aber zum Wohlstand. Die Autonomie müsse aber ständig angepasst werden, um den neuen Herausforderungen begegnen zu können. Aufgrund der Sicherheit, die das Statut biete, könne man aufeinander zugehen. Südtirol könne zum kleinen Europa in Europa werden.

„Wer für die Autonomie nur ein Achselzucken übrighat, sollte einmal versuchen, sich vorzustellen, was ohne sie wäre“, meinte Landtagsvizepräsident Josef Noggler, „Das zweite, verstärkte Autonomiestatut hat es zunächst einer Minderheit, die sich bedroht fühlte, ermöglicht, sich im eigenen Land sicher zu fühlen. Das war auch eine der wichtigen Rahmenbedingungen für den Aufschwung, der uns von einer der ärmsten Regionen Italiens zu einer der reichsten Europas gemacht hat und der allen zugutekommt. Es ist ebenso eine wichtige Rahmenbedingung für den Frieden, wenn man sich nicht um das tägliche Brot streiten muss.“

Landtagsvizepräsident Manfred Vallazza wies – in seiner ladinischen Ansprache – darauf hin, dass die Ladiner im Pariser Vertrag nicht und im 1. Autonomiestatut kaum berücksichtigt wurden. „Silvius Magnago, war es, der erreichte, dass die Ladiner im Autonomiestatut eine ganze Reihe von Rechten erhielten. So auch das Recht, dass zumindest ein Ladiner im Südtiroler Landtag sitzen muss. Erst durch das Zweite Autonomiestatut für Südtirol erlangten schließlich die Ladiner im Jahr 1972 Minderheitenrechte: Ladinisch wurde zur dritten Landessprache und in Italien offiziell als Minderheitensprache anerkannt.“

Professorin Eva Pfanzelter, Professorin für Zeitgeschichte an der Universität Innsbruck, ging in ihrem „historisch kritischen Blick auf die Jahrzehnte des Aufbruchs“ der Frage nach, ob 1972 als Wendepunkt in der Südtiroler Geschichte zu begreifen sei. Sie gab einen Überblick über die Ereignisse, die schweren Nachkriegsjahre, die Wachablöse in der SVP durch Magnago und Volgger, die UNO-Resolutionen, die 19-er Kommission, die Bombenanschläge, aber auch über den Wirtschaftsaufschwung, der Südtirol verspätet erreicht hat, den Aufbruch der Jugend, der 86-er Generation, die aus den Traditionen ausbrechen wollte und dabei auch die Volkstumspolitik in Frage stellte, und den Wandel der Medienlandschaft. „Als da Statut 1972 in Kraft trat waren die gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Weichen bereits gestellt. Das Autonomiestatut bot jedoch die politische Sicherheit und den Handlungsspielraum, die Südtirol für den nachfolgenden, rasanten Wachstum benötigte – insofern war es vielleicht mehr ein „Befähiger“ (besser ausgedrückt im engl. Wort „enabler“ oder im ital. „abilitatore“), denn eine Zäsur. Es wird sich zeigen, ob es auch geeignet ist, das Verhältnis der Menschen auch weiterhin angesichts sich diversifizierender Lebensvorstellungen und multikulturell werdender Bevölkerungszusammensetzung fruchtbar zu begleiten.“

Andrea Di Michele, Professor für Zeitgeschichte an der Freien Universität Bozen, zeichnete in seinem Zeitraffer zur Vorgeschichte die Befindlichkeiten auf der deutschen wie auf der italienischen Seite nach, auf der einen Seite die Rede vom Todesmarsch, auf der anderen ebenfalls die Angst vor Schwächung und Schwinden. In der deutschen Geschichtsschreibung werde Das Nachkriegsitalien oft als zentralistisch beschrieben, was teilweise stimme. Andererseits war es die Staatsreform, die Einrichtung der Regionen, die den günstigen Rahmen bildete, auch eine Autonomie zuzulassen. Während es 1972 in Nordirland zum Blutsonntag kam, schuf das Statut die Voraussetzung für Frieden. Was die Geschichtsforschung noch zu wenig untersucht habe: Wie hat man so schnell eine Verwaltung aufbauen können? Welchen Beitrag hat das Statut zum gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Wandel geleistet? Hätte es den Aufschwung ohne diese Autonomie gegeben. Die neue Autonomie sei nicht von allen gleich akzeptiert worden, auf der deutschen Seite war sie vielen zu wenig, auf der italienischen fürchtete man Verlust an Einfluss und auch an öffentlichen Stellen. Die Geschichte werde auf beiden Seiten immer noch anders erzählt, umso mehr bräuchte es, wenn man einen Autonomie-Patriotismus wolle, eine gemeinsame Geschichtsschreibung.

Präsidentin Mattei betonte, wie wichtig es sei, die Vorteile der Autonomie der
Jugend zu vermitteln, und wies auf den Videowettbewerb des Landtags zum Thema “Autonomie bedeutet für UNS…” hin. 12 Schulen mit über 200 Schülerinnen und Schülern haben daran teilgenommen, die 16 produzierten Videos wurden auf dem Jugendportal des Landtags www.nova-bz.org veröffentlicht und bekamen von den Nutzern über 15.000 Bewertungen. Eine weitere Bewertung wurde durch Fachleute der drei Schulämter, des Eurac-Center for Autonomy Experience und der Design-Fakultät der Uni Bozen vorgenommen.

Magdalena Lerchegger vom ladinischen Schulamt, Mitglied der Jury zusammen mit Daniel Mascher vom deutschen Schulamt, Stefano Kerschbamer vom italienischen Schulamt, Marc Röggla vom Center for Autonomy Experience Eurac und Matteo Pra Mio von der Fakultät für Design der UniBZ, erklärte die Beweggründe der Jury: “Das Siegervideo besticht nicht nur durch eine klare Bildsprache und professionelle technische Umsetzung, sondern auch durch eine sehr starke Botschaft, die die Jury beeindruckt hat. Die Klasse 4B der LBS Gutenberg hat in ihrem Video eingängige Bilder gewählt, die aufzeigen, dass die Südtiroler Autonomie allen Bürgerinnen und Bürgern und hier lebenden Menschen offensteht und für jede bzw. jeden das Passende bereithält. Das Video spielt damit auf die Tatsache an, dass Autonomie nicht durch unveränderliche Werte und Strukturen gekennzeichnet ist, die von allen in gleicher Weise wahrgenommen werden, sondern dass sie ständig im Wandel ist und jede Person dazu beitragen kann, sie auf demokratische Weise zu definieren. Die Wahl der Kopfbedeckung als verbindendes Element der Autonomie – gepaart mit Schlagwörtern in allen drei offiziellen Landessprachen – führt zu einem sehr erfrischenden und optimistischen Ergebnis, dass eine starke Botschaft der Inklusion und des friedlichen Zusammenlebens vermittelt.”

Schülerinnen und Schüler der 4 B der Landesberufsschule Handel und Grafik Johannes Gutenberg, begleitet von Prof. Eva Lageder und Direktorin Susanna Huez, stellten über eine Live-Schaltung ihr Video vor, das anschließend im Plenarsaal gezeigt wurde: “Für uns bedeutet Autonomie vor allem Freiheit. Die Freiheit, so zu sein, wie wir sind. Es spielt keine Rolle, wie alt Sie sind oder welcher Gruppe Sie angehören, letztendlich sind wir alle Menschen. Das haben wir mit unseren Hüten symbolisiert, die zeigen, dass in der Südtiroler Autonomie Platz für alle Köpfe ist.”
Anschließend präsentierten Schülerinnen und Schüler der 5 B der Wirtschaftsfachoberschule Heinrich Kunter, begleitet von Prof. Florian Romagna, ebenfalls die Botschaft ihres Videos: “In unserem Video wollten wir die wichtigsten Momente, die zur Autonomie geführt haben, anhand von symbolträchtigen Orten nachzeichnen: Schloss Sigmundskron, das Kurhaus von Meran und den Landtag. Wir hoffen, dass es uns gelungen ist, die Bedeutung dieses Modells des Zusammenlebens zu vermitteln”.
Der Kurzfilm der Klasse 5B-WS Wirtschaftsfachoberschule Heinrich Kunter war der Favorit der Besucherinnen und Besucher des Jugendportals des Landtags www.nova-bz.org. Es wurde mit 6.257 Stimmen zum eindeutigen Gewinner des Publikumspreises gewählt. Insgesamt haben 15.475 Personen für die 16 Kurzfilme des Wettbewerbs abgestimmt.

Beide Klassen wurden mit einem Gutschein für einen Tagesausflug nach Venedig belohnt: “Wir haben uns bewusst für einen Preis entschieden, der euch aus der Provinz herausführt, um neue Luft zu atmen, um einen Tag lang über etwas anderes nachzudenken als die Situation, die ihr in den letzten zwei Jahren erlebt habt: ein echter Moment der Muße, um euch zu helfen, sich einen Teil von dem zurückzuholen, was die Pandemie euch genommen hat. Wir haben nämlich nicht vergessen, dass junge Menschen durch die Ausbreitung des Coronavirus schwer geprüft wurden und werden, dass ihnen wertvolle Gelegenheiten genommen wurden, sich zu treffen und Kontakte zu knüpfen”, erklärte Mattei bei der Übergabe des Gutscheins. Sie erinnerte daran, dass die Videos auf www.nova-bz.org zu sehen sind und auch in den FLIRT-Zügen des Landes gezeigt werden.

Musikalisch umrahmt wurde die Festsitzung von Schülerinnen und Schülern der Mittelschule Archimede, vorgestellt per Live-Stream. Sie spielten unter der Leitung der Professoren Maria Silvia Tasselli und Ivan Marini die folgenden Stücke: 1) “Te Deum” (Marc-Antoine Charpentier, Arrangement: Ivan Marini); 2) “Canone” (Johann Pachelbel, Arrangement: Ivan Marini); 3) “Rinascita” (Filippo Razzoli, Arrangement: Ivan Marini). Auch diese Schüler wurden belohnt, mit einem Besuch in einem Landesmuseum ihrer Wahl.

Präsidentin Mattei schloss die Festsitzung mit einem Dank an alle Gäste für ihre Reden, “die wertvollen Überlegungen und unterschiedlichen Sichtweisen zur Autonomie, die es uns ermöglicht haben, den 50. Jahrestag des Inkrafttretens des zweiten Autonomiestatuts würdig zu begehen: Sie werden uns eine Ermahnung sein, die Autonomie weiterhin bestmöglich zu verwalten, im Geiste des friedlichen Zusammenlebens und zum Wohle aller, die in diesem Land leben”.